Aus der Geschichte eines 110 – jährigen Werdauer Gebäudes
Vor 110 Jahren, am 30.September 1901, fand die Weihe des am Johannisplatz errichteten Reichsbankgebäudes für die Reichsbanknebenstelle Werdau statt, für welches Fabrikbesitzer E.Schmelzer, Fa.C.F.Schmelzer & Sohn; im Jahr 1900 den Platz vermittelt hatte.
Schon 5 Jahre vorher, am 15.Oktober 1896, hatte die Reichsbankdirektion eine “Nebenstelle der Reichsbank für Werdau” im Robert Möckelchen Haus Bahnhofstrasse 5, eingerichtet.
Als die Reichsbanknebenstelle Werdau, deren Errichtung sich sofort in den ersten Jahren ihres Bestehens für die heimische Wirtschaft als äußerst nutzbringend erwiesen hatte, von der Bahnhofstrasse nach dem stattlichen durch Baumeister Oskar Möbius errichteten Gebäude am Johannisplatz übersiedelte, waren die ökonomischen Verhältnisse der Stadt nicht besonders rosig. Mehrere Zusammenbrüche größerer Betriebe hatten den guten Ruf Werdaus außerordentlich geschädigt und man war mit bangen Hoffnungen ins neue Jahrhundert hineingewandert. Der Vorsitzende des Industrievereins zu jener Zeit,
Fabrikbesitzer Bruno Ullrich, wünschte bei der Weihe des Hauses, das die trüben Wolken die sich über Werdau ausgebreitet hätten, recht bald verschwinden und wieder dem alten guten Vertrauen Platz machen möchten. Werdau hatte dann bis zum 1.Weltkrieg eine recht gute wirtschaftliche Phase, u.a. 1908 bis 1911 Bau des neuen Rathauses. Es folgten 1.Weltkrieg Inflation, Weltwirtschaftskrise, NS-Zeit, 2.Weltkrieg, Zusammenbruch.
In DDR-Zeiten, beherbergte dieses Gebäude; jetzt am Thälmannplatz; Wohnungen und
die “Deutsche Bauernbank”.
Chroniken aus dem Jahr 1969 vermelden in Vorbereitung einer gastronomischen Einrichtung folgendes: 24.Juli 1969 – Mit dem Bau eines HO-Eis-Cafés geht ein Wunsch vieler Bürger aus Werdau in Erfüllung, bis zum 20.Jahrestag der DDR wird es fertig sein.
Folgende Ausführungen standen voll im propagandistischen Stil anlässlich des 20.Jahrestages der DDR:
22.September 1969 – “Radio DDR” weilt in unserer Stadt. In der Sendereihe “Wer ist die schönste im Bezirk” wird auch über die vielen guten Taten unser Bürger für Ihre Heimatstadt und zu Ehren des 20.Jahrestages am Mittwoch eine Sendung ausgestrahlt. Sie waren dabei,
als an den Bürgermeister das Eiscafé “Kristall” übergeben wurde, die ersten Gäste werden die Erbauer dieser schönen Gastronomischen Einrichtung sein.
24.September 1969 – Eiscafé „Kristall” wurde heute eröffnet. Viele, viele Gäste waren da,
die Plätze stehts besetzt. Ein reiches Angebot sorgt dafür, dass alle “Leckermäuler”
befriedigt werden.
03. Oktober 1969 – Der Bürgermeister hat an 50 kinderreiche Mütter Einladungen verschickt, sie sind ein paar Stunden zu Gast im neuen Eiscafé “Kristall”.
Doch nicht nur Veranstaltungen dieser Art gab es in dieser gastronomischen Einrichtung der gehobenen Preisklasse. Familienfeiern, Klassentreffen, Tanzabende prägten das Image des “Eiskristall” recht positiv. Der Verfasser dieser Zeilen kann sich u.a. noch an einiges aus jener Zeit erinnern; z.B. an das preiswerteste Getränk in der Bar, ein Glas Fruchtmilch, oder an ein Herrengedeck, eine Flasche Pils und eine kleine Flasche Sekt.
Seit gut 20 Jahren, ab April 1991, liegt die gastronomische Betreuung des einstigen HO-Restaurants “Eiskristall” in den Händen von Dietrich und Birgit Fritzsche.
Am 14.Juli 1995 öffnete nach knapp 7 – wöchigem Um- und Ausbau das nunmehr genannte “Kristall” wieder seine Pforten. Umfangreiche Baumaßnahmen an dem unter Denkmalschutz stehenden Gebäude erhielt auch seinen ursprünglichen Eingang von der Uferstraße aus.
Nicht wieder zu erkennen sind die einstigen Gasträume. Die rustikale Bauernstube, eine gemütliche Kaffee-Ecke mit Sofas und Tischen nostalgischer Art sowie ein einladender Gastraum, aufgelockert mit Grünpflanzen, erwarten nunmehr die Gäste.
Hatten im April 1991 Dietrich und Birgit Fritzsche diese gastliche Stätte in Pacht übernommen, so konnte Anfang 1995 nach Verhandlungen mit der Werdauer Gebäudewirtschaft das Haus gekauft werden, was dann zu den vorgenannten Baumaßnahmen und Renovierungen führte.